Pocken
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Der Erreger
Variola major heißt das Virus, das die seit Jahrhunderten so gefürchtete schwere Form der Pocken auslöst. Diese Form der Pocken gilt, nach einer groß angelegten Impfkampagne der WHO, seit 1979 weltweit als ausgerottet. Offiziell verfügen nur noch zwei Referenzlaboratorien, eins in Atlanta (USA) und das andere in Moskau (Russland), über Variolavirus-Vorräte.
Variolaviren gehören zu den größten und komplexesten Viren. Sie sind quaderförmig und gegen Austrocknung äußerst widerstandsfähig. Bei Temperaturen von -20 °C bleiben sie über Jahre infektiös, bei Raumtemperatur immerhin noch über Monate. Einziges natürliches Reservoir für sie und ihren “kleinem Verwandten“ Variola minor (Alastrim), der die milde Form der Pocken auslöst, ist der Mensch. Die infektiöse Dosis von Variolaviren ist sehr klein und schon 10 bis 100 Viren reichen für eine Ansteckung.
Die Art der Übertragung
Die Pocken sind eine hochgradig ansteckende Infektionskrankheit. Die Übertragung erfolgt üblicherweise als Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch, daher können sich die Pocken sehr rasch ausbreiten. Eine Ansteckung ist aber auch durch direkten Kontakt mit infektiösen Körperflüssigkeiten, wie zum Beispiel Speichel oder Urin, oder indirekt mit kontaminierter Kleidung, Bettwäsche oder Staub möglich. Die Inkubationszeit beträgt bei Variola major ca. 7 bis 18 Tage, bei der milderen Form durch Variola minor bis zu 16 Tage.
Würden Pockenerreger als Tröpfchennebel bei einem Anschlag versprüht, könnten sie nicht lange überleben. Nach spätestens zwei Tagen wären alle Viren inaktiviert, da es in freier Natur für sie zu warm oder zu feucht ist. Hoch infektiös wie die Pocken sind, würde schon ein einziger Infizierter reichen, um eine Epidemie auszulösen.
Beschwerden
Nachdem die Variola-major-Viren über den Nasen-Rachen-Raum eingedrungen sind, wandern sie zu den regionalen Lymphknoten und vermehren sich dort. Am dritten oder vierten Tag nach der Infektion gelangen sie in die Milz, das Knochenmark und weiter entfernte Lymphknoten und vermehren sich dort weiter. Über das Blut verbreiten sie sich im ganzen Körper.
Nach ca. 12 bis 14 Tagen beginnt plötzlich hohes Fieber, Schüttelfrost und oft auch Erbrechen. Charakteristisch sind starke Schmerzen von der Lendengegend bis zum Kreuzbein.
Nach drei bis vier weiteren Tagen geht das Fieber zurück, die Patienten beginnen sich zu erholen. Doch dann bildet sich ein Ausschlag am ganzen Körper, der sich schließlich über Knötchen zu den charakteristischen gedellten, ca. erbsengroßen Pockenbläschen entwickeln. Der Bläscheninhalt trübt sich dann am 8. oder 9. Krankheitstag ein, die Umgebung wird rot und hart. Diese Pustelbildung ist meist am Kopf an dichtesten. Besonders schmerzhaft sind die Bläschen an den Schleimhäuten des Nasen-Rachen-Raums, des Darms und der Harn- und Geschlechtsorgane.
Das Fieber steigt wieder an, und es kann zu Schluckbeschwerden und Atembehinderung durch die Pustelbildung kommen. Am 11. oder 12. Krankheitstag trocknen die Pusteln in der gleichen Reihenfolge, wie sie gekommen sind, wieder ein. Es entstehen braune Krusten und die Beschwerden gehen zurück. Diese Krusten werden dann abgestoßen, und es bleiben charakteristische Narben zurück. Der Gesamtverlauf der unkomplizierten Pocken dauert ca. vier bis sechs Wochen.
Bei einer Pockeninfektion durch Variola minor steigt das Fieber nicht so hoch, und nach ein bis zwei Tagen ist es auch schon wieder vorbei. Am dritten oder vierten Tag bilden sich einige wenige Knötchen, die sich selten du Pusteln entwickeln. Sie hinterlassen keine Narben. Das Allgemeinbefinden ist meist nur leicht beeinträchtigt.
Diagnose
Die Viren können im Rachenabstrich, im Bläscheninhalt und im Blut nachgewiesen werden. Auch der Nachweis von Antikörpern im Blut ist möglich.
Behandlung
Eine direkte Behandlung von Pocken ist nicht möglich. Die Behandlung beschränkt sich auf Beruhigung, Schmerzlinderung, Haut- und Mundpflege. Antibiotika können nur verhindern, dass Bakterien die Pusteln noch zusätzlich infizieren.
Heilungschancen
Typische Pockenepidemien hatten bei Nichtgeimpften eine Sterblichkeitsrate von ca. 50%, bei Variola minor lag die Rate bei unter einem Prozent. Der Tod tritt bei Variola major meist in der zweiten Krankheitswoche ein. Bei geimpften Personen ist die Prognose umso besser, je kürzer die Impfung zurückliegt.
Nach überstandener Pockeninfektion durch Variola major können entstellende Narben, Blindheit, Taubheit und auch Lähmungen zurück bleiben.
Vorbeugung
Aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr müssen Erkrankte und ihre Kontaktpersonen unter Quarantäne gestellt werden. Alle Räume in denen sich Infizierte oder möglicherweise Infizierte aufgehalten haben, alle Möbelstücke und benutzte Gegenstände sowie Kleidung müssen mit Formaldehyd desinfiziert werden. Alle diese notwendigen Maßnahmen würden im Falle eines terroristischen Angriffs das öffentliche Gesundheitswesen wohl in große organisatorische Probleme stürzen und Panik auslösen.
Es gibt keine anti-viralen Medikamente, mit denen sich angesteckte, aber noch nicht erkrankte Personen schützen könnten. Es gibt lediglich Labor- und Tierstudien, bei denen die Substanz Cidovir, die jedoch Nebenwirkung von sehr ernsten Nierenschäden verursachen kann, erfolgreich in den ersten Tagen nach der Infektion die Erkrankung stoppen konnte.
Die Schutzimpfung ist auch noch wirksam, wenn sie in den ersten Tagen nach der Ansteckung verabreicht wird. Zwar kann sie einen Ausbruch der Pocken nicht mehr verhindern, jedoch den Krankheitsverlauf deutlich schwächen.
Nach der offiziellen Ausrottung der Pocken wurde bald auch die bis dahin für jeden verpflichtende Impfung nicht mehr durchgeführt. Deshalb sind alle nach 1982 Geborenen ohne Impfschutz. Ob oder wie lange der Impfschutz der davor noch Geimpften besteht, ist nicht bekannt.
Der zuletzt verwendete Pocken-Lebendimpfstoff ist in Deutschland und Österreich weder zugelassen noch kurzfristig verfügbar. Eine Wiederaufnahme der Produktion wäre jedoch möglich. Anfang November 2001 hat die deutsche Bundesgesundheitsministerin bestätigt, dass als Vorbeugemaßnahme sechs Millionen Dosen hochwertigen Pockenimpfstoffs (eine Dosis pro Person) eingekauft wurden. Die Regierung hat dafür 51 Millionen Euro ausgegeben.
Die WHO und die CDC verfügen über Restbestände an Impfstoff: Zusammen ca. 15 Millionen Dosen. Das Schweizer Gesundheitsamt gab bekannt, dass in der Schweiz im Ernstfall Impfstoff in ausreichenden Mengen vorhanden sei.
Ein generelles Problem der Pockenimpfung sind die zum Teil sehr schweren, manchmal sogar tödlichen Nebenwirkungen. Bei drei Patienten pro einer Million Erstgeimpfter kam es zum Tod durch Hirnhautentzündung. Deshalb wird derzeit eine Impfung der gesamten Bevölkerung trotz Furcht vor möglichen Anschlägen mit Biowaffen von allen Experten abgelehnt.
Wahrscheinlichkeit eines Anschlags
Die Pocken sind nicht umsonst in der Kategorie A der CDC-Einstufung für die Wahrscheinlichkeit eines Terroranschlags. Es gibt Berichte, den zufolge noch große Mengen an Pocken-Viren in alten Sowjetlabors, die schon längst nicht mehr auf den Inventarlisten der russischen Regierung auftauchen, lagern. Zwar besteht wie auch bei Ebola die Gefahr, dass die Epidemie auf die Angreifer zurückschlägt, doch heutzutage gelten die Pocken als wahrscheinlichstes Mittel für einen Anschlag mit biologischen Kampfstoffen.
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